Klima, Krieg, Corona - die Überlagerung von Krisen strapaziert die psychische Gesundheit von immer mehr Angehörigen der jungen Generation. Das zeigt die aktuelle Trendstudie "Jugend in Deutschland". Sie beruht auf einer repräsentativen Befragung von 14- bis 29-Jährigen, die von den Jugendforschern Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann geleitet wird. Wegen der weiter spürbaren Einschränkungen durch die Pandemie beklagen die Befragten den Kontrollverlust bei ihrer Alltagsgestaltung, ihren persönlichen Beziehungen und ihrer Bildungs- sowie Berufslaufbahn. Ihre größten Zukunftssorgen sind die Auswirkungen des Klimawandels und seit Ende Februar 2022 zusätzlich die Konsequenzen des Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine.
"Seit über 20 Jahren befindet sich die Jugend in Deutschland im Krisenmodus. Die Älteren der heutigen Jugend haben die Wirtschaftskrise von 2008 erlebt und wurden mit dem GAU des Atomkraftwerks in Fukushima 2011 konfrontiert. Die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 erlebten viele Jugendliche als einschneidend, weil ihnen klar wurde, wie sehr sich die Krisen der Welt auf ihr Leben in Deutschland auswirken. Seit 2018 treibt sie die Sorge vor den Folgen des Klimawandels um, mit dem Frühjahr 2020 kamen die Umbrüche und Unsicherheit aufgrund der Corona-Pandemie und jetzt kommt auch noch die Kriegsangst dazu", resümiert Simon Schnetzer. Die Sorge vor einem Krieg in Europa ist sprunghaft an die erste Stelle aller Ängste sowie Befürchtungen getreten und hat geradezu einen Schock ausgelöst. Kriegsangst hat die bisher dominierende Angst vor dem Klimawandel verdrängt. Auch die nach wie vor sehr hohen Belastungen durch die Corona-Pandemie wurden in den Hintergrund geschoben.
"Die dichte Aufeinanderfolge von tief in das Leben eingreifende Krisen setzt der Jugend zu. Nach zwei Jahren Einschränkungen ihres privaten und schulisch-beruflichen Alltags durch die Pandemie sind viele von ihnen psychisch angespannt. Die Bedrohung durch einen Krieg in Europa drückt als eine weitere schwere emotionale Last auf ihre Stimmung. Viele machen sich große Sorgen um ihre berufliche, finanzielle und wirtschaftliche Zukunft" so Klaus Hurrelmann.
Wie die Studienergebnisse belegen, ist dennoch die Grundstimmung in der jungen Generation erstaunlich positiv. Das in dieser Studie zum ersten Mal eingesetzte Datajockey-Jugendbarometer zeigt, dass die meisten Befragten für sich persönlich trotz aller Belastungen eine gute Zukunft erwarten. Klar erkennbar ist jedoch die innere Unruhe: Die Zufriedenheit mit der eigenen psychischen Gesundheit ist vergleichsweise niedrig, sowohl aktuell als auch im Blick auf die Zukunft in zwei Jahren. Auch die pessimistischen Töne bei der Einschätzung der Zufriedenheit mit der finanziellen Lage klingen mit.
Große Gruppen in der jungen Generation sind also angespannt. Wird im Zusammenhang mit den konkreten Belastungen durch die Corona-Pandemie oder der Bedrohung durch den Angriffskrieg auf die Ukraine gezielt nachgefragt, offenbart sich unter der Oberfläche eines grundsätzlichen "jugendtypischen Optimismus" ein beträchtliches Ausmaß von Verunsicherung. Obwohl sich die meisten zutrauen, trotz widriger Umstände das eigene Leben in den Griff zu bekommen, sehen sie im Blick auf die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Entwicklung Deutschlands erhebliche Probleme. "Diese negativen Ausschläge des Datajockey Jugendbarometers werten wir als Anzeichen dafür, dass die bisher grundsätzlich gute Stimmung unter dem Druck der sich überlagernden Krisensituationen zu bröckeln beginnt" so die Studienautoren.